Es ist ein ewiger Kampf ums Recht. Gefährliches Halbwissen, gegenseitige Schuldzuweisungen und wenig Verständnis auf beiden Seiten schüren seit Jahrzehnten den anhaltenden Kleinkrieg auf der Straße zwischen Autofahrer und Radfahrer.

Das hat zur Folge, dass sich die Fronten zunehmend verhärten, gefährliche Manöver aus Trotz Einzug haben und die Anzahl der Verkehrsunfälle zunehmend steigt. Auch im Jahr 2019 ist die Zahl der Verkehrstoten unter Radfahrern wieder um 1% zum Vorjahr gestiegen. Fahrradfahrer gehören zu den gefährdetsten Straßenverkehrsteilnehmern. Das hat auch Bundesminister Andreas Scheuer erkannt und daraufhin im Herbst 2019 eine Novelle mit Änderungen der Straßenverkehrsordnung zur Stärkung des Radverkehrs vorgelegt, der vom Bundesrat zugestimmt wurde. Seit 28. April 2020 sind die Änderungen rechtsgültig.

Neue Regelungen der StVO zum Schutz der Radfahrer

Die wichtigsten Neuerungen der Straßenverkehrsordnung im Überblick. Quelle: BMVI.de

Er wird oft gepredigt, aber von Autofahrern viel zu selten eingehalten. Der Mindestabstand beim Überholen. Bisher gab die Straßenverkehrsordnung einen „ausreichenden Seitenabstand“ vor, bei dem häufig von 1,5 Metern gesprochen wurde. Ab sofort ist diese Abstandsregelung klar definiert und festgelegt. Innerorts liegt der Mindestüberholabstand zu Radfahrern bei 1,5 Metern, außerorts jetzt sogar bei 2 Metern.

Nicht selten kommt es vor, dass gerade größere Kraftfahrzeuge beim Rechtsabbiegen Radfahrer übersehen. Die Einsicht ist einfach schlecht oder Geschwindigkeiten werden falsch eingeschätzt. Die Ursache ist völlig egal, denn die Folgen sind identisch: schwere Verkehrsunfälle. Mit den Änderungen der Straßenverkehrsordnung sind KFZ über 3,5 Tonnen innerorts nun dazu verpflichtet mit Schrittgeschwindigkeit rechtsabzubiegen.

Quelle: BMVI.de

Der Grünpfeil ist immer gerne gesehen, da er an Ampeln die Wartezeit für Rechtsabbieger verkürzt. Was viele Verkehrsteilnehmer bisher missachten ist, dass am Grünpfeil zunächst anzuhalten ist. Es darf erst dann abgebogen werden, wenn andere Verkehrsteilnehmer dadurch nicht gefährdet oder behindert werden. Mit der StVO-Novelle wurde nun zusätzlich ein Grünpfeil, nur für Radfahrer, ins Leben gerufen.

Zusammen mit dem Mindestüberholabstand ist das Parken auf Radwegen wohl eines der häufigsten, und für Radfahrer nervigsten, Vergehen von Autofahrern. Grundsätzlich war es Autofahrern bisher aber tatsächlich erlaubt auf den Schutzstreifen zumindest für 3 Minuten zu halten. Das ist fortan Geschichte! Ab sofort gilt ein generelles Halteverbot für Kraftfahrzeuge auf Radwegen.

Dies sind wohl die wichtigsten Änderungen der Straßenverkehrsordnung. Darüber hinaus soll es zukünftig auch Fahrradzonen (analog zu 30er Zonen) geben, das Parkverbot vor Kreuzungen auf 8 Meter ausgeweitet werden und ein neues Verkehrszeichen für Radschnellwege eingeführt werden. Du kannst alle neuen Regelungen noch einmal auf der Seite des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur nachlesen.

Erhöhte Geldbußen bei Verstoß

Zukünftig müssen Verkehrssünder tiefer in die Taschen greifen.

Um die Änderungen der Straßenverkehrsordnung zukünftig auch besser durchsetzen zu können, wurden auch die Bußgeldern nach oben hin korrigiert. Mittlerweile sollen StVO-Sünder empfindliche Summen bei Nicht-Beachtung zahlen. Das Parken oder Halten auf einem Radweg wurde auf bis zu 110 Euro angehoben. Kommt es dadurch zu Personen- oder Sachschäden, gibt es obendrauf für den Fahrer des KFZ noch einen Punkt in Flensburg. Nutzen Fahrzeuge Gehwege oder linksseitig angelegte Radwege, werden ebenfalls bis zu 100 Euro Geldbuße fällig.

Natürlich wurden auch Bußgelder für Verstöße gegen die StVO erhöht, die nicht unmittelbar mit Fahrradfahrern zusammenhängen. So werden Autofahrer bei Nichtbilden einer Rettungsgasse mit bis zu 320 Euro und einem Monat Fahrverbot zur Kasse gebeten. Geschwindigkeitsüberschreitungen sollen neuerdings schon früher mit einem Fahrverbot geahndet werden (innerorts ab 21 km/h zu viel). Das unnötige Aufheulen eines Motors kann bis zu 100 Euro kosten. Es wird aber vermutlich schwer umsetzbar sein dieses Vergehen zu ahnden.

Irrglaube vieler Autofahrer

Es ist sehr löblich und sollte uns auch freuen, dass der Radverkehr bei der Politik inzwischen zunehmend Gehör und Beachtung geschenkt bekommt. Ob es aber bei allen Autofahrern zu einer Besserung der aktuellen Missstände führt wird die Zukunft zeigen. Auch vor dem 28. April 2020 hatten Radfahrer das Recht am Straßenverkehr teilzunehmen. Bei Diskussionen jeglicher Form, sei es an einem Tisch bei einem Glas Kölsch oder per vulgären Ausbrüchen aus einem offenen Autofenster heraus, machte es bislang den Eindruck, als seien Autofahrer sich dessen gar nicht bewusst. Selbstverständlich sind auch nach den neuen Regelungen die üblichen Autofahrer-Mythen nicht korrekt:

Fahrradfahrer dürfen nicht auf der Straße fahren

Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Solange kein blaues Schild auf einen Radweg hinweist, steht es dem Radfahrer frei zu entscheiden ob er lieber auf der Straße oder dem Radweg fährt. Besagte Schilder haben ihre Berechtigung an Gefahrenstellen, um die Radfahrer als zusätzliche Verkehrsteilnehmer von der Fahrbahn zu nehmen. Ist der Radweg allerdings nicht in einem befahrbaren Zustand, hat der Radfahrer wiederum das Recht dennoch auf der Straße zu fahren.

Bei diesem Schild gilt Radwegpflicht.

Leider befinden sich bei uns im Rhein-Sieg-Kreis sehr viele nicht zumutbare Radwege. Nicht befahrbar sind diese meist wegen Baumwurzeln, Fahrbahnschäden oder parkenden Autos. An dieser Stelle sei auch noch erwähnt, dass Radfahrer nicht dazu gezwungen sind sich am äußersten rechten Rand der Fahrbahn einzuordnen. Insbesondere in der Stadt müssen sie auch zu parkenden Autos einen Mindestabstand einhalten, schon alleine um sich vor öffnenden Autotüren zu schützen. Drängeln oder Hupen ist in solchen Situationen fehl am Platz und kann Bußgelder nach sich ziehen.

Radfahrer dürfen nicht nebeneinander fahren

Bisher ist dies erlaubt, sofern der restliche Verkehr dadurch nicht behindert wird. Gruppen ab 16 Personen brauchen sich darüber keine Gedanken zu machen. Für sie ist nebeneinander fahren grundsätzlich erlaubt und auch erwünscht. Das ist im Übrigen auch die magische Ziffer, bei der Radgruppen von der oben beschriebenen Radweg-Pflicht ebenfalls ausgenommen sind. Die Gruppe gilt dann als geschlossener Verband und wird als ein KFZ gewertet. Das begründet dann auch die ausgesprochen skurrile Regelung, dass die Gruppe beim Überfahren einer Ampel zusammenhängen bleiben muss. Fahren also Radfahrer 1 und 2 nebeneinander bei Grün über die Ampel, so müssen (!) Fahrer 15 und 16 am Ende der Gruppe ebenfalls die Ampel überqueren. Selbst wenn die Ampel inzwischen auf Rot umgesprungen ist. Die Regelung zum nebeneinander fahren ist jetzt in der StVO-Novelle auch noch einmal deutlicher niedergeschrieben als es bisher der Fall war.

An der Ampel rechts am Auto vorbei

Autofahrer möchte rechts abbiegen und Radfahrer fahren geradeaus.
Wenn Rechtsabbieger Radfahrer übersehen, endet es meist unschön.

Auch das ist ein immer wieder aufkommendes Streitthema. Gerade erst hat der Autofahrer die Gruppe Radfahrer mit aufheulendem Motor, einer Geschwindigkeitsüberschreitung und deutlich zu wenig Abstand überholt, da holt ihn die Gruppe an der nächsten roten Ampel wieder ein. Zu diesem Ärgernis erdreisten sich nun auch noch die Radfahrer rechts an der Autoschlange bis nach vorne zur Ampel an den stehenden Autos vorbei zu fahren.

Nicht rechtens, denken sich dabei viele Autofahrer. Falsch, sagt § 5, Abs. 8 StVO. Wohl oder übel muss der Autofahrer die Gruppe hinter der Ampel also nochmal überholen und kann das auf diese Weise dann gleich noch einmal taktvoll und entsprechend der Straßenverkehrsordnung üben. Eine große Gefahr birgt in diesen Fällen ein Rechtsabbieger, der nicht mit rechts überholenden Radfahrern rechnet und den Seitenspiegel nicht zu nutzen weiß. Grundsätzlich sind also natürlich auch die Radfahrer gut damit bedient die Gefahren abzuwägen und dementsprechend vielleicht doch einmal eher am hinteren Ende der Schlange zu verweilen.

Nicht Gegeneinander, sondern Miteinander

Klar ist, dass wir auf einer Radsportseite aus der Sicht von Radfahrern schreiben. Insofern bitten wir an dieser Stelle alle leidenschaftlichen Autofahrer um Verständnis. Mit Sicherheit würde ein solcher Artikel in einem Auto-Tuning Blogpost auch die durchaus vorhandenen Schattenseiten von uns Radfahrern offenlegen. Auch wir halten uns (aus Bequemlichkeit) nicht immer unbedingt an die Beschilderung von Radwegen und fahren lieber in einem Tempo auf der Straße weiter. Auch wir schneiden möglicherweise mal versehentlich die Vorfahrt, provozieren oder reagieren überempfindlich im Straßenverkehr. Davon kann und sollte sich keine der beiden Gruppen ausnehmen.

Es ist nicht ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander. Und wir müssen eben diejenigen besser schützen, die weniger Schutz um sich haben.

Andreas Scheuer, BMVI

Wünschenswert wäre es aber doch, wenn zukünftig respektvoller miteinander umgegangen würde. Verständnis füreinander statt Wut aufeinander. Auch mal selber zurückstecken und den anderen gewähren lassen. Ohne Anschnauzen. Auch ganz ohne Faust in der Tasche machen. Schlicht gönnen. Es würde dem Klima im Straßenverkehr guttun und ganz nebenbei auch Menschenleben retten. Vielleicht tragen die Änderungen der Straßenverkehrsordnung dazu bei.

SC Uckerath 1922 e.V. - Radsport
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